Tuesday, August 21, 2007

Sehr geehrter Herr Minister Peer Steinbrück

Toronto, 25. Mai 2007

Sehr geehrter Herr Minister Peer Steinbrück,
Vor einiger Zeit hat uns die beunruhigende Nachricht erreicht, dass das Goethe-Institut plant, seine kulturellen Einrichtungen in Toronto --- ein Kino (die Kinowelt Hall), eine Galerie und eine Bibliothek --- zum 30. Juni zu schließen.

Der Verlust dieser produktiven, vielseitigen und lebendigen öffentlichen Räume in Toronto, der bedeutsamsten kanadischen Stadt für die seit Jahren sorgsam gepflegte internationale Zusammenarbeit mit Deutschland, stellt einen schweren Rückschlag dar, sowohl für das kulturelle Leben in Toronto, aber auch für die deutschen Partnerstädte und die weltweiten Verbindungen.

In mehr als zehn Jahren beständiger und wegweisender Programmgestaltung mit Ausstellungen und Vorführungen in den genannten Räumlichkeiten hat das Goethe-Institut in Toronto eine Brücke zu internationalen Künstlern, Veranstaltungsorten und Diskursen aufgebaut. Als Ort der Gemeinschaft und ihres Austausches ist sein Bestehen von höchster Wichtigkeit. Die Entscheidung zur Schließung hat uns daher sowohl erstaunt als auch tief getroffen.

Wenn das Goethe-Institut künftig gezwungen sein wird, ausschließlich als Gast örtlicher Partnerinstitutionen zu arbeiten, wird es seine nachhaltig wirksame Konzentration und Fokussierung, durch die es im vergangenen Jahrzehnt seine herausragende Positionierung gewinnen konnte, verlieren. Die Projekte werden zwangsläufig fragmentarischer werden und das Institut wird sich stärker anpassen, und weit mehr dem jeweiligen Mandat und den lokalen Prioritäten der Partner unterordnen müssen.

Die Programme, mit denen das Institut die örtlichen Kulturinstitutionen bislang bereichert hat, waren stets in die Strukturen und Inhalte der Veranstaltungen des hauseigenen Kinos und der Galerie verankert, wurden durch sie vertieft und waren wohlüberlegt ausbalanciert. Dies lässt sich nicht einfach auf andere Veranstaltungsorte übertragen.

Im Namen aller Künstler, Autoren, Lehrenden, Kulturschaffenden und Politiker, die uns seit der Bekanntgabe der Schließungsentscheidung kontaktiert haben, sehen wir und gezwungen, hiermit zum Ausdruck bringen, dass die Beendigung der Kulturarbeit des Goethe-Instituts aus unserer Sicht als Fehlentscheidung wahrgenommen wird.

Wir können nicht nachvollziehen, warum das Goethe-Institut die öffentliche Präsenz eines seiner weltweit aktivsten und wichtigsten Zentren schließen möchte! Das Kino, die Bibliothek und die Galerie sind als bedeutsame Orte der Begegnung, sowie der Vermittlung, des Wachstums und des Erlebens von Kunst und anderen Eckpfeilern internationaler Kultur und Diskussion einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

In Kanada haben die brückenschlagenden Initiativen und das Gesamtprogramm des Goethe-Instituts einen unschätzbaren Beitrag zu einer genaueren und einfühlsameren Wahrnehmung der Geschichte und Identität Deutschlands beigetragen, was das Leben für Deutsch-Kanadier und Gäste aus Deutschland sowohl kulturell bereichert als auch von Stereotypisierungen befreit hat.
Es liegt sicherlich im Interesse Deutschlands, die kulturellen Beziehungen, die in stabilen Ländern wie Kanada aufgebaut und gepflegt wurden, aufrecht zu erhalten.

Die Einrichtung der Goethe-Institute nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer grundlegenden Aufgabe, durch kulturellen Austausch die entstandenen Wunden zu heilen, ist bis heute begründet und wirksam und bleibt anerkanntes Vorbild für gegenwärtige und künftige Institutionen anderer Länder. Es ist für uns unvorstellbar, dass andere Nationen ihre grundlegenden kulturellen Einrichtungen am Leben erhalten, während die deutsche Präsenz abnimmt.

Die UNESCO hat Toronto zur weltweit multikulturellsten Stadt erklärt.
Toronto ist eine Stadt, in der 150 Sprachen gesprochen werden, und in der die ganze Welt zusammen kommt. Als kulturelle Einrichtung und inspirierende Kraft nimmt das Goethe-Institut in diesem internationalen Umfeld eine wichtige Position ein. Es wäre tragisch und unvernünftig, das zu gefährden.

Das Goethe-Institut Toronto hat einen wachsenden Austausch zwischen unseren Ländern gefördert und vielen kanadischen und deutschen Künstlern aller Disziplinen die wunderbare Möglichkeit gegeben, fruchtbare Beziehungen zu knüpfen -- das Goethe-Institut hier war nicht nur der Schlüssel zur deutschen Kultur, sondern zu Europa und noch darüber hinaus. Keinem anderen nichtakademischen Veranstaltungsort in der Stadt ist es so gut gelungen, die öffentliche Wahrnehmung auf europäische Perspektiven zu lenken, wie dem Goethe-Institut in Toronto.

Seit Mitte April haben Künstler, Akademiker, die Community und konsularische Partner in Toronto und außerhalb Kanadas ihren Bedenken Ausdruck verliehen. Eine Online-Petition wurde eingerichtet und ihre Inhalte werden an die beteiligten Parteien weitergeleitet, wie an den Generalsekretär Hans-Georg Knopp in München, der, wie auch der Leiter des Goethe-Instituts Toronto, der Leiter für Nordamerika in New York, sowie die Vorstandsmitglieder der Leitungsstelle in München dringend dazu aufgefordert wird, die Kinowelt Hall und die Galerie sowie die vollständige Bibliothek geöffnet und am Leben zu lassen. Darüber hinaus wurde zur Verbreitung und zum Austausch von Informationen eine Homepage erstellt, um Informationen auszutauschen und zu verbreiten.

Zusammengefasst möchten wir die deutsche Regierung und das Goethe-Institut dringend auffordern, darüber nachzudenken, was für einen schweren Verlust diese angekündigte Maßnahme bedeutet und dass sie dem, was wir bislang stets für die Aufgabe des Goethe-Instituts gehalten haben, grundlegend widerspricht. Das Goethe-Institut ist eine der besten Kultureinrichtungen weltweit und ihr Fundament ist die Einsicht, dass Kultur Leben verändern kann. Es sind nicht nur die Entwicklungsländer, die von dieser Aufgabe profitieren müssen, auch wir hier in Kanada brauchen und verdienen ohne Frage diesen Austausch, wie auch – wie wir meinen - Deutschland ihn braucht, und wir hoffen wirklich, dass das Auswärtige Amt und das Finanzministerium in Deutschland, wie auch die Leitung des Goethe-Instituts, diese problematische und kontraproduktive Entscheidung überdenken, und die Schließung der Einrichtungen, von denen die wichtigen Kulturprogramme abhängen, in vollem Umfang rückgängig machen.

Mit freundlichen Grüßen,

Vera Frenkel, F.R.S.C.
Governnor General's Award Laureate
documenta IX artist
Professor Emeritus, Faculty of Fine Arts, York University, Toronto

Scott Miller Berry, M.A.
Executive Director, The Images Festival, Toronto

Im Namen des Save Kinowelt Committee
Toronto, CANADA

*Die "SAVE KINOWELT" Petition finden Sie unter:
http://www.petitiononline.com/goethe07

**Besuchen Sie auch unserer Homepage für weitere Informaionen: http://savekinowelt.blogspot.com

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